Interview mit Johannes Gerloff

Verehrter Theophilus, viele haben schon über die Ereignisse geschrieben, die bei uns geschehen sind. Dabei haben sie die Berichte der ersten Jünger zugrunde gelegt, die mit eigenen Augen gesehen haben, wie Gott seine Verheißungen erfüllt hat. Ich habe alle diese Berichte von Anfang an sorgfältig studiert und beschlossen, dir eine genaue Zusammenfassung zu geben. Auf diese Weise kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterrichtet wurdest. Lukas 1-1-4

Lukas 1,1-4 ist eine der besten Beschreibungen des Journalistenberufs, die ich kenne. Johannes Gerloff

Interview des Arbeitskreises Israel mit Johannes Gerloff, Korrespondent des Christlichen Medienverbundes KEP in Jerusalem

Lieber Herr Gerloff, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Der Arbeitskreis Israel weist seit einigen Monaten auf Nachrichten hin, die so in unseren Medien oftmals nicht zu finden sind. Eine der Quellen, die wir verwenden ist Israelnetz.

Auf Nachrichten zu verweisen, ist das Eine. Aber wer sind die Menschen, die Macher, die hinter diesen Nachrichten stehen? Wir möchten die Korrespondenten vorstellen, wir möchten wissen, wie es Ihnen bei Ihrer täglichen Arbeit so geht, was Sie umtreibt. Danke dafür, dass Sie unter diesen Voraussetzungen bereit waren, sich unserer Neugierde und den Fragen zu stellen.

Herr Gerloff, Sie haben Ihren Zivildienst in Maalot (im Norden von Israel) abgeleistet; d.h. mit Holocaust-Überlebenden gearbeitet, dann Theologie studiert, jetzt wieder Israel. Diesmal als Journalist. Warum? Warum nicht Pfarrer in einer kleinen, überschaubaren Kirchengemeinde. Ohne viel Stress, keine Aufenthalte in Bunkern. Warum Journalist in Israel?

Ob Pfarrer-Sein in Deutschland stressfrei ist, will ich einmal dahingestellt sein lassen. Bei meinen Vorträgen komme ich viel in Deutschland herum, treffe viele Pfarrer, Pastoren und Gemeindeleiter, manche davon sind Studienfreunde. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Leben mit weniger Stress verbunden ist. Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir uns Stress und Sorgen machen, wenn wir eigentlich keine haben. Aber das nur, weil Sie den Vergleich gebracht haben.

Unser Weg nach Israel ist ganz schlicht so verlaufen, weil wir immer wieder nach dem Willen Gottes gefragt haben und sich dann – im Rückblick – dieser Weg ergeben hat. Die Spur, die wir gelegt haben, ist zu allererst die Spur Gottes in unserem Leben.

Seit wie vielen Jahren leben Sie in Israel?

Seit April 1994.                

Als Journalist mit Bibelwissen sieht man manches anders. Wie bringt man dies unter einen Hut? Wie erklärt man säkularen Medien, dass noch ganz andere Dinge mit reinspielen?
Wie oft sind Sie dafür „belächelt“ worden?

In Deutschland scheint es ein echtes Problem zu sein, wenn man Christ und Journalist gleichzeitig ist. Ich habe nicht gezählt, wie oft ich bei Deutschen ein gewisses süffisantes Lächeln zu erkennen glaubte, wenn es im Gespräch darauf kam, dass ich Christ bin. Je älter man wird, desto weniger wagen die Leute auch, in so einem Fall offen ins Gesicht zu lächeln. Aber Deutschland ist da auch mehr und mehr Teil einer kleiner werdenden europäischen Insel der Säkular-Seligen. In weiten Teilen der Welt, in Amerika, in Asien, in Afrika und ganz bestimmt hier im Nahen Osten ist es normal, wenn man einen Glauben hat und diesen auch bekennt. Da wird man eher belächelt, wenn man sich als geistlich behindert outet… Muslime haben mir schon des Öfteren zu verstehen gegeben, dass ich sie eigentlich nur aus einer religiösen Perspektive verstehen kann.

Kurz: Ich sehe da überhaupt kein Problem, übe meinen Beruf aus, wie Kollegen, die ihre Ausbildung als Politikwissenschaftler, Literaturwissenschaftler, Arzt oder in der Wirtschaft erworben haben. Im Rückblick muss ich sogar sagen, dass ein Theologiestudium zu den eher angemessenen Vorbereitungen für den Journalistenberuf gehören. Vom Handwerkszeug her, haben Theologen und Journalisten sehr viel gemein: Wir müssen Texte, historische Zusammenhänge, Denkweisen, Botschaften und gesellschaftliche Entwicklungen verstehen, um diese dann möglichst verständlich und relevant an unsere Leser, Zuhörer oder Zuschauer weiterzugeben. Lukas 1,1-4 ist eine der besten Beschreibungen des Journalistenberufs, die ich kenne. Die Bibel ist in der Art und Weise ihrer Berichterstattung nach wie vor eines der besten Beispiele für guten Journalismus. 

Wie groß ist Ihr Team in Jerusalem, mit wem arbeiten sie zusammen?

Wir sind hier in Jerusalem zu Dritt. Neben Mirjam Holmer, die Islamwissenschaftlerin ist, arbeiten wir noch eng mit Ulrich W. Sahm als freiem Mitarbeiter zusammen.

Die deutsche Bevölkerung ist zu einem Großteil auf der Seite der Palästinenser. Wie kommt dies in Israel an, wird es registriert?

Ich bin mir nicht sicher, ob die Aussage, mit der Sie Ihre Frage einleiten, richtig ist. Wenn jemand „Israel-kritisch“ ist, bedeutet das noch lange nicht, dass er „pro-palästinensisch“ ist, genauso wenig, wie ein Freund Israels automatisch Palästinenserfeind sein muss. Auch sei dahingestellt, ob das, was Palästinenserfreunde in Europa vertreten, immer im Sinne der Palästinenser, oder gar gut für sie ist.

Man beobachtet in Israel mit großer Sorge, dass Europa zunehmend anti-israelischer wird, man offensichtlich Israel und seine Anliegen nicht verstehen kann (oder will?) und deshalb manches schwieriger zu werden scheint. In dieser Situation ist allerdings Deutschland der beste Freund und zuverlässigste Partner des jüdischen Staates. Die deutsch-israelischen Beziehungen werden, meiner aktuellen Beobachtungen nach, als weit weniger belastet gesehen, als etwa die israelisch-amerikanischen Beziehungen.

Ihre Reportagen mit viel Hintergrundinfos entsprechen nicht dem Mainstream. Warum?
Es wäre doch leichter, das zu schreiben, das die Mehrheit  hören will. Woher nehmen Sie die Kraft gegen den Strom zu schwimmen?

Mein Auftrag ist, das zu berichten, was ich sehe, höre und zu verstehen meine. Diesem Auftrag bemühe ich mich, gerecht zu werden. Ein entscheidender Faktor dabei sind die Menschen, die unsere kostspielige Arbeit durch ihre Spenden finanzieren und die Redakteure, die unsere Artikel abdrucken.

In Silwan und auf dem Tempelberg wurden Hakenkreuzschmierereien und Graffiti gefunden, wie geht man vor Ort damit um, wie reagiert man auf Menschen, die dies als ganz natürlich empfinden?

Dass Adolf Hitler ein Held und Idol in der arabischen Welt ist, ist hier kein Geheimnis. Es gibt alte Verbindungen zwischen (Nazi-) Deutschland und der islamischen Welt. Deutsche Offiziere haben die Türken bei ihrem Völkermord an den Armeniern vor einem Jahrhundert beraten. Hadsch Amin El-Husseini, der erste Großmufti von Jerusalem, war ein enger Freund Hitlers, hat längere Zeit in Berlin gewohnt und deutsche Interessen in der arabischen Welt vorangetrieben. Vor und während des Zweiten Weltkriegs gab es einen Ortsgruppenverein NSDAP Jerusalem. Während des Unabhängigkeitskriegs Israels haben Deutsche auf Seiten der Araber gekämpft. Ich habe selbst einen deutschen Militärberater kennengelernt, der 1967, im Sechstagekrieg, im Sinai in israelische Kriegsgefangenschaft geraten ist. Das sind historische Fakten, die ihre Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein haben, mit denen Israel und das jüdische Volk lebt. Der Hass und Vernichtungswille gegen das Volk Israel sind so alt, wie dieses Volk selbst.

In Jerusalem wütet z.Z. die sog. Stille Intifada. Still, weil die Medien schweigen. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür?

Von diesem Wüten merke ich in meinem täglichen Leben hier nicht allzu viel. Wahrscheinlich lese ich zu wenig deutsche Zeitungen. Wirklich schlimm war der Terror hier in den 1990er Jahren. Damals bejubelte alle Welt den Friedensprozess von Oslo, während hier alle Woche ein Bus explodierte. Es gab nach dem jüngsten Gazakrieg im vergangenen Sommer eine Anschlagsserie und verschiedentlich Zusammenstöße, vor allem in Ostjerusalem. Der Medienanalyst Itamar Marcus meint einen Zusammenhang zwischen innerpalästinensischem Machtgerangel und der Gewalt gegen Israel zu erkennen, den ich in einem Artikel über die „Intifada der Einzelgänger“ beschrieben habe. Die gegenwärtige Ruhe könnte ihm Recht geben. Aber solche Fragen lassen sich erst aus einer längeren Perspektive wirklich begründet beantworten.

Wenn Sie in Silvan oder Schuafat unterwegs sind, wie ist die Stimmung vor Ort? Mit welchem Gefühl geht  man da rein?

Die Spannung zwischen Israelis und Palästinensern spürt man selbstverständlich immer, vor allem auch, wenn man danach fragt. Ich bewege mich an all diesen Orten ziemlich selbstverständlich, begegne den Menschen neugierig fragend und offen für Neues. In der Regel weiß man, wann wo Steine geworfen werden. Dann bin ich dort nicht unterwegs, weil mir das nicht wirklich etwas für das Verständnis der Lage bringt, wenn ich einen Stein ins Autofenster bekomme – was mir auch schon passiert ist.

Der Mord an den drei israelischen und dem arabischen Jugendlichen hat die Stimmung extrem aufgeheizt. Bei allem Verständnis über die Wut des Mordes an Muhammad Abu Khdeir, sehen die Palästinenser einen Zusammenhang zwischen den Morden? Sehen sie, dass ein Stück der Verantwortung auch sie mittragen? Dass der Mord nicht passiert wäre, ohne die Ermordung der drei israelischen Jugendlichen?

Natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Ermordung der drei Jeschiwa-Schüler Naftali Fränkel, Gilad Schär und Ejal Jifrach, und der Ermordung von Muhammad Abu Khdeir. Der Mord an dem arabischen Teenager war Rache für den Mord an den jüdischen Teenagern.

Ob die Palästinenser eine Verantwortung sehen? – Warum sollten sie, wenn die ganze Welt, einschließlich eines beträchtlichen Teils der israelischen Gesellschaft, die Verantwortung für alles, was im Rahmen dieses Konflikts hier geschieht, reflexartig und automatisch bei Israels Gesellschaft und Regierung konstatiert?

Ob der Mord an Abu Kdeir ohne die Ermordung von Fränkel, Schär und Jifrach nicht passiert wäre, ist Gegenstand von Spekulation.

Nachfrage: Es stimmt natürlich, dass Abu Kdeir auch so Opfer einer Straftat hätte werden können. Aber haben die mutmaßlichen Mörder nicht die Tat mit dem Hinweis auf Rache eingestanden?

Sie haben gefragt, ob der Mord nicht passiert wäre wenn…? Darauf habe ich geantwortet. Dass die Mörder Rache als Motiv angeführt haben, bedeutet nicht, dass der Mord nicht passiert wäre und sie dann nicht ein anderes Motiv angeführt hätten. Wie gesagt: Das bleibt Spekulation! 

Wenn man mal von Goldstein und Teitel absieht, Morde dieser  Art gab es doch bislang auf israelischer Seite noch nicht oft, oder? Wie ist das Verhältnis solcher Straftaten bei den beiden Bevölkerungsgruppen? Und welche Straftaten können so eingerechnet werden? Der Tod des Siedlers an Pessach, z.B. oder muss dies ganz anders betrachtet werden?

Palästinenser würden dazu sagen: Der Unterschied ist eben, dass die Juden eine anerkannte Führung, eine Staat und eine Armee haben, die ihre Kriege führen – während den Palästinensern all das bislang versagt ist, weshalb sie sich selbst wehren müssen. Das alles lässt sich sehr, sehr schwer vergleichen, auch weil jüdische und islamische Wertesysteme da sehr unterschiedlich sind.

Wie geht die jüdische Bevölkerung mit den vier Morden um?

Sie ist entsetzt – über alle vier Morde!

Vor ein paar Wochen war der Gazakrieg. Wie oft waren Sie im Bunker?

Gar nicht – weil wir keinen Bunker haben, bzw. der zu weit entfernt wäre, um ihn im Falle eines Raketenalarms aus Gaza erreichen zu können. Im Hausgang, an der best geschützten Stelle waren wir einmal. Der Krieg begann, kurz nachdem wir zu Urlaub und Vorträgen nach Deutschland geflogen waren – und war kurz nach unserer Rückkehr zu Ende. 

Wie fühlt es sich an, ständig in dieser Bedrohung zu leben?
Raketen, Messerstechereien, Brandanschläge, Autos, die in Bus- und Straßenbahnhaltestellen fahren können, die also jeden treffen können.

Wenn ich das hier erleben würde, was Sie in Ihrer Frage beschreiben, wäre das schrecklich. Gefühle sind etwas sehr individuelles, hängen auch sehr damit zusammen, was man wie erlebt hat. Auch einen Autounfall, einen Sportunfall oder das Erleben von starken Turbulenzen im Flugzeug verarbeiten Menschen unterschiedlich. Es gibt hier Menschen, die in panischer Angst leben. Wir haben Freunde, da lässt der Mann seine Frau nicht mehr auf die Straße gehen. Tatsächlich – und das sage ich mit großem Ernst! – ist es weit gefährlicher in Deutschland auf der Autobahn unterwegs zu sein, als hier in Israel einen Raketenkrieg mitzuerleben. Die Wahrscheinlichkeit, hier während eines Raketenkriegs von einer Rakete getroffen zu werden, ist weit geringer, als die Wahrscheinlichkeit, dass Sie heute Nacht in Ihrem Bett sterben. Angst ist ein gutes Warnsystem – und tut jedem gut, der sich hinters Steuer seines Autos setzt. Aber Angst ist noch nie ein guter Berater gewesen, wenn es darumgeht, Gefahren realistisch einzuschätzen.

Die Hamas hat im Gazakrieg Raketen aus dichtbesiedeltem Gebiet abgefeuert, obwohl es auch nicht dichtbesiedeltes Gebiet gibt. Warum macht die Hamas dies?

Diese Frage müssen Sie der Hamas stellen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu behauptet, die Hamas schütze ihre Raketen mit ihrer Zivilbevölkerung.

Die Hamas hat Kriegsverbrechen verübt. Menschliche Schutzschilde, Hinrichtungen und trotzdem sind sie „die Guten“. Wie schafft die Hamas dies?

Was ein „Verbrechen“ ist, setzt ein bestimmtes Rechtssystem fest. Ein bestimmtes Rechtssystem hat immer nur Gültigkeit in einem bestimmten Zusammenhang. Also: Israelisches Recht gilt nur in Israel, nicht aber in Deutschland. Der Gazastreifen ist kein Staat und die Hamas hat sich keinem Rechtssystem gegenüber Israel verpflichtet. Deshalb ist sie für Juristen nur schwer greifbar. Die Genfer Konventionen, zum Beispiel, haben nur Gültigkeit zwischen zwei Staaten, die sich beide diesen Konventionen verpflichtet haben. In den von Israel besetzten Gebieten sind die Genfer Konventionen anwendbar, weil israelisches Recht das so festgelegt hat. Israel hat sich gegenüber der internationalen Gemeinschaft rechtlich festgelegt. Deshalb ist es fassbar und kann zur Verantwortung gezogen werden. Die Hamas hat sich gegenüber der internationalen Gemeinschaft niemals rechtlich verpflichtet.

Die PA hat Wahlen angekündigt. Finden Sie statt und wenn ja, wie werden sie die Situation in den palästinensischen Gebieten verändern?

Keine Ahnung! Diese Fragen müssen Sie einem Propheten stellen.

Nachfrage: eine prophetische Antwort erwarten wir nicht, aber Sie sind nah dran, Sie bewegen sich auch in  der palästinensischen Gesellschaft. Sie bekommen die Stimmung mit. Wie zufrieden sind die Palästinenser mit ihrer Regierung?  Wie sind die Umfragen? Welcher Trend zeichnet sich ab? Wie stellen sich die arabischen Israelis zu den Wahlen? Wie sieht es mit doppelter Staatsbürgerschaft aus, gibt es arabische Israeli, die auch in den Palästinensergebieten wählen können?  Was eine neue Frage anbietet: Wollen arabische Israelis eher in Israel leben, oder doch lieber unter einer palästinensischen Führung und damit die israelische Staatsbürgerschaft wieder aufgeben?  Wie ist hier die Stimmung unter den arabischen Israelis? Gibt es hier  einen Trend?

Ich bin nach jahrelanger Beobachtung davon überzeugt, dass die Frage „wie geht es denn nun weiter?“ der Hauptgrund für die verzerrte Wahrnehmung der Realität durch die Medien ist. Als Zuhörer/Zuschauer/Leser vergessen Sie nämlich sehr schnell, dass die Antworten pure Spekulation sind; dass die einzig richtige Antwort „keine Ahnung!“ sein muss, weil niemand die Zukunft vorhersagen kann – und verwechseln Spekulation sehr schnell an die Stelle von Tatsachen.

Tatsache ist im Blick auf Ihre Frage, dass momentan kein Mensch mehr von Wahlen bei den Palästinensern spricht. Zumindest habe ich seit Wochen kein Wort mehr dazu gehört.

Noch eine Bemerkung, die für einige Ihrer Fragen gilt, vor allem aber auch für Ihre Frage nach den Umfragen: Wie ehrliche Antworten erwarten Sie denn auf Ihre Fragen? Man sagt hier unter uns Journalisten: Glaube nur der Umfrage, die du selbst gefälscht hast…

Welche Veränderungen stehen in Israel an?

Auch darauf lautet die einzig seriöse Antwort: Das bleibt abzuwarten!

Wenn „anstehen“ bedeutet, was notwendig ist, gibt es Vieles im sozialen Bereich, in Politik und Wirtschaft – und natürlich im Sicherheitsbereich. Auf allen Ebenen wird immer mehr Flexibilität, das heißt, Bereitschaft zur Veränderung gefordert, weil wir in einer Welt leben, die sich ständig ändert und immer besser vernetzt ist. Das bedeutet: Veränderungen in ganz anderen Gegenden der Erde sind für uns relevant, wir müssen darauf mit Veränderungen reagieren.

Ägypten hat einen Vorschlag gemacht, einen Teil des Sinai für einen Palästinenserstaat abzugeben. Wäre dies eine Lösung? Welche Chancen hätte ein solcher Staat?

Wenn Ägypten diesen Vorschlag macht, werde ich darüber berichten. Alles andere ist Spekulation und dafür kann ich mich nur schwer erwärmen.

Nachfrage: war aber mal so in den Medien. Sissi hätte konkrete Zahlen genannt, wie viele Quadratmeter er vom Sinai opfern würde. Abbas dementierte. Heißt dies, es war eine „Zeitungsente“?

Dann müssen Sie „die Medien“ fragen, nicht mich. Wo ist der Vorschlag heute?

Die IS ist das große Schreckgespenst in diesen Wochen/Monaten.
Trauen sie sich nach Israel? Wieviel Rückhalt haben sie unter den Palästinensern?

„Gespenst“ ist vielleicht die beste Beschreibung des Islamischen Staats (IS). Über Gespenster lässt sich nur schwer etwas sagen, weil sie so schwer greifbar sind. Deshalb weiß ich auch nicht, was sich Gespenster trauen – und was nicht.

Der Islamische Staat ist Teil einer großen Bewegung innerhalb des sunnitischen Islam, die – in mancher Hinsicht nicht unähnlich der christlichen Reformationsbewegung im ausgehenden Mittelalter – ein Zurück zur „Schrift“ und den ursprünglichen Werten und Lebensweisen des Religionsgründers propagiert.

Die Anfänge dieser Bewegung werden mit einem islamischen Prediger namens Muhammad Abd El-Wahhab assoziiert, der im 18. Jahrhundert auf der Arabischen Halbinsel gelebt hat. Der „Wahhabismus“ ist die tragende Ideologie der saudischen Monarchie. Aus dem Wahhabismus ist Anfang des 20. Jahrhunderts die ägyptische Muslimbruderschaft hervorgegangen und dann in den 1980er-Jahren ihr palästinensischer Zweig die Hamas. Auch der Islamische Dschihad, die besonders in der Gegend um Hebron starke Hisb a-Tahrir („Befreiungspartei“), die gesamte salafitische Bewegung, was wir als „Al-Qaida“ bezeichnen, sowie eine große Anzahl weiterer Bewegungen und Organisationen, bis hin zum so genannten „Islamischen Staat“ entspringen diesem Strom.

Wenn Ihre Frage darauf zielt, ob diese Bewegung unter den Palästinensern populär ist, bleibt nur die Antwort: Wenn es heute freie Wahlen gäbe, würden Vertreter dieser islamischen Bewegung, vermutlich gleich wieder eine Zweidrittelmehrheit gewinnen – wie bereits im Januar 2006, und wie übrigens auch bei den letzten freien Wahlen in Ägypten.

Wie stehen Fatah, Hamas und IS zueinander?

Fatah ist grundsätzlich säkular orientiert – wobei ihre Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden auch das islamische Glaubensbekenntnis auf der Stirn tragen – Hamas und IS sind religiös motiviert. Fatah einerseits und Hamas/IS andererseits sind unvereinbar verfeindet. Hamas und IS stammen grundsätzlich aus derselben „ideologischen Kinderstube“, wie oben kurz skizziert, haben „realpolitisch“ aber eine ganze Reihe von Konfliktpunkten. Einer ist zum Beispiel, dass die Hamas maßgeblich vom Iran in ihrem Kampf gegen Israel finanziert, ausgerüstet und ausgebildet wird, während der IS im schiitischen Iran einen erbitterten Feind sieht.

Die stille Intifada, von der wir am Anfang sprachen, wurde in den letzten Wochen laut:
Auto-Intifada, das Attentat auf Jehuda Glick, die Tempelberg-Unruhen und nun der Anschlag auf die Synagoge. Wohin führt es? Gibt es überhaupt noch eine Chance die Situation in den Griff zu bekommen?

Momentan ist es ruhig.

Israel hat neue Gesetze erlassen bzw. plant sie: - Keine Freilassung von Terroristen mehr im Zuge von Häftlingsfreipressungen, gibt es eine Chance, dass die Palästinenser trotzdem an den Verhandlungstisch zurückkehren?

- Vermummungsverbot. Hört sich gut an, aber wie kann ein solches durchgesetzt werden, denn freiwillig werden sich die palästinischen Jugendlichen (dürfte die Mehrzahl sein) nicht darauf einlassen?

Israelische Gesetze haben mit den Verhandlungen mit den Palästinensern überhaupt nichts zu tun und weder positiv wie negativ einen Einfluss. Ein Vermummungsverbot gibt vor allem den Gerichten eine Handhabe. Solange die Vermummung nicht verboten ist, kann deshalb auch niemand belangt werden.

Nachfrage: war es in der Vergangenheit aber nicht so, dass die Palästinenser Gefangenenfreilassungen zur Vorbedingung gemacht haben, dass sie überhaupt zu Verhandlungen bereit waren?

Ja natürlich. Was ich mit meiner Antwort aber antaste ist nicht die Frage des Gefangenenaustauschs, sondern die Stellung, die Bedeutung, das Gewicht von Gesetzen. In Deutschland ist ein Gesetz das Ende der Diskussion, weil die Leute dort unter dem Gesetz sind. Hier ist jedes Gesetz eine Diskussionsgrundlage und höchste Tugend ist, ein Gesetz zu überlisten, ohne es außer Kraft zu setzen. Außerdem kann man Gesetze ganz schnell ändern, wenn dies einen politischen Vorteil bringen sollte.

Konkret zum Gefangenenaustausch: Wenn Israel auch nur ein jüdisches Leben dadurch retten kann, möglichst ohne andere jüdische Leben dadurch zu gefährden, wird es auch in Zukunft Gefangene austauschen – ganz unabhängig davon, wie die Gesetzeslage ist.

Herr Gerloff, Sie sind regelmäßig in Deutschland zu Vorträgen und Seminaren unterwegs. Welche Themen bieten Sie an?

Die Menschen kommen vor allem, um etwas über die aktuelle Lage in Israel zu erfahren, weshalb diese in den meisten meiner Vorträge zur Sprache kommt – abhängig eben von der „aktuellen Lage“. Aus meiner Perspektive aber entscheidend ist, dass wir von der Heiligen Schrift her Gottes Handeln mit seinem Volk und die Herausforderung, die für uns als Nichtjuden daraus erwächst, verstehen. Das lässt sich gut zeigen anhand biblischer Personen, wie etwa Abraham oder Ruth. Die Person des Gottesknechts im Propheten Jesaja finde ich spannend. Und dann begleiten mich seit zwei Jahrzehnten die grundsätzlichen Aussagen über Israel und die nichtjüdischen Völker, die der Apostel Paulus in den Kapiteln 9 bis 11 des Römerbriefs macht – worüber ich auch ein Buch geschrieben habe.

Beim Evangeliumsrundfunk gibt es einmal im Monat eine halbstündige Sendung mit dem Titel „Brennpunkt Nahost“. Wie sind die Reaktionen auf diese Sendung. Eher positiv oder kommen auch  Anfeindungen?

Das Problematische am Radio ist, dass man seine Zuhörer nicht sieht und deshalb nur wenig sagen kann darüber, was sie denken, wie sie das Gesagte aufnehmen. Die überwältigende Mehrheit der wenigen Reaktionen, die mich erreichen, sind gut. Natürlich gibt es auch Menschen, die nicht einverstanden sind mit dem, was ich sage. Anfeindungen erreichen mich nur sehr selten.

Sie schreiben Bücher. Unter anderem auch über umstrittene Themen wie die Siedlungen. Beliebt machen Sie sich damit nicht, oder? Was sind die Reaktionen?

Für mein Buch „Jüdische Siedlungen: Kriegsverbrechen oder Erfüllung biblischer Prophetie?“, das übrigens vergriffen ist, habe ich in einer deutschen Landeskirche schon Predigtverbot bekommen. Die Begründung dafür war, das sei die falsche Alternative. Und dabei hatte ich bei dem Titel weniger an eine Alternative, als vielmehr an ein Spektrum gedacht. In derselben Woche erreichte den Verlag der Brief eines empörten Lesers, dem an dem Buch missfiel, dass ich meine eigene Meinung gar nicht zum Ausdruck gebracht habe, sondern lediglich die Meinungen der Beteiligten referiert habe. Da ich nicht mit dem Ziel angetreten bin, mich durch meine Bücher beliebt zu machen, sondern zu informieren, amüsieren mich derlei Reaktionen dann eher.

Wie kann man Sie für eine Veranstaltung buchen?

Indem man mir eine E-Mail schreibt an gerloff(at)kep.de. Allerdings sollten sich Einladende mit Geduld wappnen. Es gibt momentan längere Wartezeiten, bis ich eine Einladung positiv beantworten kann.

Herr Gerloff, danke für das Interview. Danke, dass Sie Zeit für uns hatten.
(Für den Arbeitskreis Israel / RK)  Januar 2015

Weitere Informationen:

Derzeit sind folgende Bücher von Johannes Gerloff erhältlich:
1.      Eine Busfahrt in Jerusalem, Krista und Johannes Gerloff - 10,95 €
2.      Verflucht und von Christus getrennt, Johannes Gerloff - 14,95 €
3.      Die Palästinenser, Johannes Gerloff - 19,95€
4.      Der Alltag fängt am Sonntag an, Krista und Johannes Gerloff - 8,95 € 

Radiosendung

Evangeliumsrundfunk:                 Brennpunkt Nahost
Jeden 1. Donnerstag im Monat, 20.05 bis 20:30
Johannes Gerloff im Gespräch mit Horst Marquardt 

Buchungen für Vorträgegerloff(at)kep.de

 

Hinweis der Nachrichten - Redaktion des aki: 

Johannes Gerloff beendete im November 2016 seinen Dienst bei kep.