Erfolgreiche Terrorbekämpfung erfordert harte und unbequeme Maßnahmen. Jedoch ist uns das Schützen von Menschenleben wichtiger als unbequeme Situationen oder negative Berichte.
Major Arye Shariz Shalicar, IDF
Sehr geehrter Herr Shalicar, ein herzliches Toda raba, dass Sie sich bereit erklärt haben, ein paar Fragen für uns zu beantworten. Wir vom Arbeitskreis Israel haben unter der Rubrik „Nachgefragt“ eine Untergruppe mit „Nachgefragt - Leute“. Hier sollen Menschen zu Wort kommen, die in Israel oder den Palästinensergebieten leben oder die sich auf irgendeine Art für Israel und die Menschen engagieren. Sie sind Israeli, Pressesprecher bei der IDF und damit immer an der vordersten Front, wenn es um Erklärungen, Erläuterungen geht und wenn man unsere Presse verfolgt, gibt es viel zu erklären. Aber zunächst mal ein paar persönliche Fragen.
Sie haben Ihre Wurzeln im Iran, sind in Deutschland aufgewachsen, zur Schule gegangen, haben unter Muslimen gelebt. Ihre Erlebnisse haben Sie in dem Buch: „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“ geschildert. Können Sie diese Zeit in ein paar Sätzen zusammenfassen?
In ein paar Sätzen nahezu unmöglich, denn es ist äußerst viel vorgefallen während meiner Jugendjahre im Berliner Bezirk Wedding. Jahrelanger Antisemitismus von Seiten vieler junger Muslime, insbesondere arabischer Herkunft, hat mich dazu bewegt, mich mehr mit meiner eigenen Identität auseinanderzusetzen und als Verteidigungsstrategie und Überlebensstrategie mich ihnen anzupassen und Teil ihrer Jugendgangs etc. zu werden. Diese Situation hätte mich schnell ins Gefängnis bringen können oder auf den direkten Weg in den Tod.
Wenn Sie sich die Zeit damals ansehen und mit heute vergleichen, hat sich etwas verändert und wenn ja, in welche Richtung?
Ich denke, dass die muslimische Gemeinde in jenen Migrantenbezirken noch gespaltener ist als vorher zwischen denjenigen die Teil Europas und einer freien Gesellschaft sein wollen und denjenigen, die den Nahen Osten im Herzen Deutschlands einbringen wollen und sich festklammern am religiösen, teilweise fanatisch-islamistischen Lebensweg und dieser Weltanschauung.
Sie leben inzwischen in Israel und sind als Major in der Armee tätig. Warum die Entscheidung für die Armee als Arbeitgeber?
Nach dem Abschluss zum MA an der Hebräischen Universität hatte ich mehrere andere Jobs, unter anderem im ARD Studio Tel Aviv und bei der Jewish Agency in Jerusalem. Der Zufall wollte es so, dass ein Freund mir von einer offenen Position in der IDF erzählt hat, für die ich mich dann erfolgreich beworben habe.
Sie leiten die Presseabteilung der IDF für den Bereich Europa. Umschließt dies ganz Europa und wie groß ist Ihr Team?
Ganz Europa, den russischen Sprachraum, Australien und Afrika. Mein Team ist 10-Frau und Mann stark.
Besteht das Team nur aus hauptberuflichen Soldaten/Soldatinnen oder gehören auch Rekruten hierzu?
Fast alle im Team sind pflichtdienstabsolvierende 18 Jährige, hochmotivierte und hochintelligente Israelis.
Die IDF bietet Volontärsdienste für Interessierte an, gibt es die Möglichkeit auch in Ihrer Abteilung?
In meiner Abteilung gibt es keinen Freiwilligendienst, sondern knallharte 2-3 Jahre Arbeit, Arbeit, Arbeit.
Sie haben eine Facebookseite – dazu später mehr. Auf dieser sieht man, dass Sie und Ihr Team auch schon mal Ausflüge zusammen machen. Wie wichtig sind diese Begegnungen außerhalb des normalen betrieblichen Ablaufes für das Team und für die Arbeit?
Da der Alltag ziemlich herausfordernd ist und man kaum Zeit hat mal durchzuatmen, sind derartige Ausflüge wichtig, um den Teamgeist und den Zusammenhalt zu stärken.
Gibt es dies nur bei Ihnen oder gehört dies – in welcher Form auch immer - auch bei anderen Einheiten der IDF mit dazu?
Jede Einheit tut dies, - mal mehr, mal weniger.
Die israelische Armee ist ja häufig in den Schlagzeilen und meist nur negativ. Verhaftungen in der Nacht, sozusagen überfallsartig, Gewalt gegen Palästinenser und deren Eigentum. Unverhältnismäßigkeit im Krieg – zuletzt 2014 im Gazastreifen. All dies kommt nur allzu oft und allzu gerne in unsere Medien. Wenn man die Stellungnahme des Militärs dazu hört, ist es meist ein Versuch der Verteidigung, selten ganz klar und mit Fakten hinterlegt. Ein Vorwurf, der immer wieder kommt, ist, warum geht die IDF nachts in die Häuser und nicht tagsüber. Gibt es dafür einen Grund?
Mir ist bekannt, dass sehr vieles negativ dargestellt wird. Aber nicht immer und nicht in jedem Medienoutlet. In Deutschland gibt es glücklicherweise auch einige wenige Presseorgane, die die Realität in Israel und insbesondere unseren Kampf gegen den arabischen Terror um und in uns herum objektiver bzw. fairer schildern. Erfolgreiche Terrorbekämpfung erfordert harte und unbequeme Maßnahmen. Jedoch ist uns das Schützen von Menschenleben wichtiger als unbequeme Situationen oder negative Berichte.
Der Gazakrieg forderte viele Opfer. Wir wissen, dass die Hamas zivile Einrichtungen nutzt, um ihre Raketen auf Israel abzufeuern. Israel feuert genau dorthin zurück. Zivile Opfer lassen sich dabei nicht immer vermeiden. In der Presse liest es sich dann ungefähr so: „die machen dies halt, denen ist es doch egal, ob sie Kinder und Frauen treffen“. Sie kennen Ihre Kollegen, die hier eine riesige Verantwortung tragen. Machen sich die kommandierenden Offiziere tatsächlich keine Gedanken, dass unschuldige Zivilisten ums Leben kommen könnten oder machen ihnen diese Entscheidungen auch persönlich Not?
Es ist tatsächlich äußerst schmerzlich für viele meiner Kameraden und Freunde, dass sie einerseits alles in ihrer Macht tun, um zivile Opfer zu vermeiden, anderseits jedoch bestimmte Presseorgane, die Hamas und ähnlich agierende Terrororganisationen unterstützen, berichten, dass Israel Kinder, Frauen, alte Menschen, Behinderte, Babys etc tötet. Das ist genau das, was die Terrororganisation sucht und genau das, was meine Freunde und Kollegen vermeiden wollen, nicht weil sie Sorge vor Presseberichten haben, sondern weil sie es mit ihrem Gewissen und ihrer eigenen Wertevorstellung nicht ausmachen können unschuldige Menschen auf dem Gewissen zu haben. In nicht wenigen Fällen wurden Angriffe auf Terroristen abgesagt, nur weil man im näheren Umfeld Kinder gesichtet hat. Derselbe Terrorist hat somit einen Freifahrschein erhalten, um weiterhin Raketen auf unsere unschuldige Bevölkerung abzuschießen.
Polizei und IDF, zwei unterschiedliche Organisationen, mit einem Zuständigkeitszuschnitt, der für Laien, heißt für Nichtisraelis, nicht immer so ganz nachvollziehbar ist. In den besetzten Gebieten sieht man die IDF am Werk, bei dem Brandanschlag in Duma, ermittelt die Polizei. Können Sie uns erklären, wer wann und für was zuständig ist und warum?
Die Idf ist an den Grenzen, darüber hinaus und in Judäa und Samaria zuständig, die Polizei im Landesinneren und bei kriminellen Handlungen von Israelis in Judäa und Samaria.
Die IDF hat nicht nur israelische Armeeangehörige. Zwar besteht für arabische Israelis keine Wehrpflicht, aber immer mehr von Ihnen drängen in die Armee, ebenso arabischen Christen. Die Drusen leisten Wehrdienst, auch Beduinen. Wieso? Eigentlich ist die israelische Armee doch der Feind?
Für Drusen herrscht Pflichtdienst seit 1953 und sie kämpfen zumeist an vorderster Linie mit uns Juden gegen unsere Feinde.
Immer mehr arabische Israelis, insbesondere Christen und Beduinen schauen um sich herum und verstehen und akzeptieren, dass es um uns herum fast überall bebt und man um sein Leben fürchten muss, wenn Terrororganisationen ganze Gebiete unter ihrer Kontrolle haben und es teilweise keine zentrale Staatsgewalt gibt, die für die Verteidigung seiner Bevölkerung eintreten kann. In Israel sind Minderheiten viel besser geschützt auf als überall im Nahen Osten. Sie sind in der Politik, in der Justiz, im Gesundheits- und Erziehungssystem Israels stark verankert - und auch in den verschiedenen Sicherheitsorganisationen - vertreten.
Hat die Armeeführung keine Bedenken, wenn arabische Israelis in der Armee Kenntnisse erhalten, die sie gegen Israel verwenden, weitergeben könnten?
Nein.
Vor ein paar Wochen geisterte wieder ein Vorfall durch unsere Presse, mit einem Ausschnitt aus einem Video, das zeigt, wie ein israelischer Soldat einen Jungen würgt. So der Ausschnitt. Sieht man sich das Video in voller Länge an, dann sieht man steinewerfende Jugendliche, gewalttätige Frauen. Sie leben mit diesen auf die westlichen Medien ausgerichteten Videoausschnitten, die an der Wirklichkeit vorbeigehen, aber von gewissen Usern in Online-Zeitungen zur Hetze genutzt werden. Bereitet die IDF ihre Soldaten darauf vor, dass sie hier in die Schusslinie geraten, dass sie eigentlich nur verlieren können, egal wie sie reagieren?
Das ist ein gutes Beispiel. Unser Soldat hat in dem von Ihnen geschilderten Beispiel gut und richtig auf die Provokationen reagiert. Sein Fehler war, dass er den Provokateuren hinterher gerannt ist und sich in eine Situation begeben hat, die die Provokateure gesucht haben, so kam es zu diesen vielen Kameraaufnahmen.
Unsere Soldaten wissen, dass viele Aktivisten und NGO's bei jeder Demonstration vor Ort sind, teilweise sind sogar mehr Kameras als Demonstranten da. Sie müssen Ruhe bewahren und sich nicht provozieren lassen. Das ist schwer, aber machbar.
Seit Monaten kämpft Israel gegen die Terrorangriffe, die meist Zivilisten, aber auch Soldaten und Sicherheitskräfte treffen. Die Täter werden oft als „einsame Wölfe“ bezeichnet, also Personen, die irgendwann ausrasten und mit Messern auf Menschen losgehen. Aber bei einigen wurde auch ein Zusammenhang mit Terrororganisationen nachgewiesen. Was steckt Ihrer Meinung hinter der Gewalt und wie kann man sie stoppen?
Hinter der Gewalt dieser aktuellen Terrorwelle steckt in erster Linie eine riesige Hetz- und Hasskampanie im Internet auf Arabisch, die von Terrororganisationen, radikalen Imamen, Arabischer Presse und NGO's und bestimmten anstachelnden Politikern geleitet wird. Je mehr Terroranschläge stattfinden, und nichts von Seiten der palästinensischen Führung unternommen wird, um gegen sie vorzugehen, desto mehr sehen wir uns gezwungen härtere Maßnahmen einzusetzen, um den Terror zu bekämpfen. Und schon sind wir wieder zurück bei unbequemen Maßnahmen, die wir gerne vermeiden würden, aber uns leider keine Wahl bleibt, um Menschenleben zu schützen.
Die positive Seite sieht man meist nicht oder will sie nicht zur Kenntnis nehmen. Die IDF leistet großartige Arbeit bei Katastrophen wie Erdbeben oder Tsunami. Beim letzten Einsatz stellten sie die größte Truppe der Hilfskräfte. Trotzdem erscheint dies in unseren Medien nicht. Dafür geistern dann Berichte herum, wie: Die Israelis nutzen diese Gelegenheiten um Organe zu stehlen. Wie geht die Armee damit um?
Die IDF war, seit ich in meiner jetzigen Position bin, bei mindestens 5 internationalen Katastrophen ganz vorne mit dabei, unter anderem auf Haiti und auf den Philippinen, mit einem Riesenaufgebot an Medizinern und Rettungskräften, die in einem Feldlazarett Menschenleben gerettet haben und Dutzende Geburten erfolgreich ausgetragen haben. Natürlich nutzen Antisemiten weltweit jede Gelegenheit aus, um die Wahrheit zu verdrehen und den Juden/den Israeli/den IDF Soldaten ins negative Licht zu rücken. Das war so und wird so bleiben. Nichtsdestotrotz werden wir weiterhin auch in Zukunft bei jeder Naturkatastrophe unser erfahrenes Team anbieten.
Die Organisation „Breaking the Silence“, ist eine Organisation von israelischen Soldaten, die zwar in die Öffentlichkeit geht, aber deren Informanten anonym bleiben. Sie wird vom Ausland mit Geld unterstützt wird, um Vorwürfe zu bringen, die aber nur den Gegnern Israels in die Hände spielen und keinerlei Veränderung in Israel bringen, da nichts überprüfbar ist. Was bezweckt Ihrer Meinung nach „Breaking the Silence“? Denn, auf Veränderungen innerhalb der Armee sind sie ja nicht aus, ansonsten würden sie offensiv die Vorwürfe bringen und dazu stehen. Nur so wäre ja eine Veränderung innerhalb der Armee möglich. Wäre die Armee bereit auf Grund solcher Anschuldigungen ihr Verhalten zu hinterfragen und ggf. Änderungen herbeizuführen? Welche Maßnahmen unternimmt die IDF heute schon, um mögliche Verstöße zu ahnen?
Wir haben eine sehr gut funktionierende Einheit von Militäranwälten und eine weitere Einheit von Militärpolizisten, die jedes unethische und kriminelle Vorgehen unserer Soldaten und Offiziere untersucht.
Die genannte Organisation ist hochpolitisch, in Israel absolut nicht relevant und arbeitet für seine antisemitischen Arbeit-, bzw. Geldgeber aus Europa.
Israel schweigt zu vielem. Man macht etwas, aber erklärt nicht, warum. Die Palästinenser sind da viel offensiver. Warum geht Israel nicht mehr an die Öffentlichkeit und erklärt mehr und verteidigt weniger? Ist dies mit ein Grund für Ihre Facebookseite?
Israel erklärt ohne Punkt und Komma. Jedoch identifizieren sich viele Politiker und Pressemitarbeiter mit der palästinensischen Sichtweise der Dinge und geben somit dieser viel mehr Raum. Einer der Gründe weshalb ich meine Seite ins Leben gerufen habe, ist tatsächlich, dass ich dem "Konsumenten" einen ungefilterten und direkten Draht zur IDF, und das auch noch auf Deutsch, anbiete.
Auf Ihrer Seite geben Sie Infos weiter, stellen aber auch Fragen. Auch die, wie seht ihr das. Dazu kommt die Möglichkeit, Fragen an Sie zu stellen. Welche Erfahrungen haben Sie inzwischen mit ihrer Seite gemacht?
Sehr gute Erfahrungen. Es tummeln sich hunderte Kommentatoren auf meiner Seite aus den verschiedensten politischen und religiösen Ecken. Von hardcore Proisrael bis hardcore Antisemitisch ist echt alles dabei, sowohl öffentlich als auch im privaten Schriftverkehr.
Auf der Seite tummeln sich alle möglichen „Gestalten“. Viele ernsthaft Interessierte, etliche kritisch eingestellte, aber auch immer wieder ein paar Trolle, die den Versuch machen Hetze zu verbreiten. Wie gehen Sie damit um. Einfach ignorieren, diese sperren oder versuchen, etwas zu erklären, mit der Hoffnung, sie hören zu? Gibt es schon Personen, die inzwischen ihre Meinung etwas revidiert haben?
Bis jetzt habe ich auch die offensichtlich als Trolle nervenden Kommentatoren nicht blockiert. Ich wünsche allen eine nicht gefilterte Diskussion, zum Guten wie zum Schlechten. Einige Personen haben ihre Meinung tatsächlich schon revidiert. Das weiß ich aus privatem Schriftverkehr.
Was würden Sie sich von uns Deutschen erhoffen in Bezug auf die Medienberichterstattung? Was würden Sie von den deutschen Medien erwarten?
Eine objektivere Berichterstattung, mehr Verständnis für die Seite Israels im täglichen Kampf gegen tödlichem Terror, weniger Raum Hetzern und Hetzorganisationen geben, z.B. Todenhöfer, Breaking the Silence, Augstein, Zuckermann...etc.
Was wünschen Sie Israel und was wünschen Sie den Palästinensern für die Zukunft?
Ich wünsche mir, das unsere Kinder und Enkelkinder in einer sicheren und friedlichen Welt aufwachsen. Dafür setze ich mich persönlich ein.
Vielen Dank, Herr Shalicar, dass Sie uns ein wenig Einblick in die Arbeit der IDF gewährt haben.
Für den Arbeitskreis Israel: R.K. / November 2015
Das Buch von Arye Sharuz Shalicar: „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“ ist im dtv-Verlag erschienen und als Buchausgabe als auch als eBook erhältlich.
Ebenfalls interessant mit vielen Informationen: www.idfblog.com
Hinweis der Nachrichten-Redaktion des aki:
Major Shalicar beendete zum 30.11.2016 seinen Dienst als Pressesprecher bei der IDF.